Schon wenige Tage nach der Geburt können Säuglinge einfache Grimassen imitieren. Anhand dieses Verhaltens gehen Forscher davon aus, dass Babys bereits im Mutterleib deutlich mehr lernen, als bisher angenommen wurde. Denn für die Imitation von Gesichtsausdrücken ist eine grundlegende Vorstellung vom eigenen Körper nötig, Sinneseindrücke müssen wahrgenommen und ineinander umgewandelt werden können. Auch das Erkennen und Verstehen, dass ein anderes Gesicht dem eigenen gleicht, ist wichtig. Das können Kinder bereits wenige Minuten nach der Geburt. Dessen Bedeutung für die Gehirnleistung wurde jedoch lange nicht erkannt.
Bis Ende der 70er Jahre galt es für die Hirnforscher als erwiesen, dass das Gehirn erst nach der Geburt zu lernen beginnt. Die Wende leitete schließlich der Psychologe Andrew Meltzoff ein, der die Bedeutung der kindlichen Grimassen entdeckte. Nun stellte sich jedoch die Frage, ob diese Gehirnleistung bereits von Anfang an in das kindliche Gehirn eingebaut ist oder die Babys tatsächlich im Mutterleib lernen. Bessere Ultraschallgeräte, Magnetresonanztomographen und Verhaltensexperimente helfen, die bestehenden Fragen zu beantworten.
Während der ersten Hälfte der Schwangerschaft bilden sich erste Hirnstrukturen. Die gebildeten Gehirnzellen sind jedoch noch nicht miteinander vernetzt und es findet somit kein Datenaustausch zwischen ihnen statt. Erst die Bildung der Synapsen ermöglicht den Austausch von Informationen und das Gehirn beginnt zu arbeiten. Verschiedene Vernetzungen entstehen, die zunächst lebenswichtige Reflexe wie Atmung, Kreislauf und Verdauung umfassen.
Bereits vor der Ausbildung der ersten Gehirnregionen machen Säuglinge umfangreiche Erfahrungen und erwerben auf diese Weise grundlegende Fähigkeiten. Es erwachen etwa die ersten Sinne. So spürt er etwa Berührungen an Lippen und Nase, die zu einer Vernetzung der Sinneszellen der Haut mit dem Rückenmark führen. Zudem trainieren die Babys ihren Berührungssinn, indem sie die Arme und Beine ausstrecken, treten und sich heftig bewegen. Die neu gewonnenen Reize werden schließlich im Gehirn abgelegt.
Nach und nach erwachen schließlich auch die anderen Sinne und helfen dem Baby, sich zu orientieren. Sie können das Fruchtwasser schmecken, riechen und hören. Aufmerksam lauschen sie den zahlreichen Geräuschen und reagieren etwa mit Kopfdrehen, schnellerem Herzschlag und Augenzwickern auf neue Geräusche. Die Stimme ihrer Mutter erkennen sie bereits direkt nach der Geburt.
Noch im Mutterleib üben die Ungeborenen Tätigkeiten, die sie erst nach der Geburt benötigen, wie etwa Weinen, Atmen, Schreien und Schlucken. Diese Erfahrungen werden im Gehirn verankert und sind später jederzeit abrufbar. Auf dieser Grundlage entwickelt das Gehirn Lernprogramme, die dem Kind helfen, Erfahrungen zu nutzen und aus ihnen zu lernen.
Letzte Aktualisierung am 29.07.2015.